Was berichten Betroffene?

Welche Essstörungen gibt es?

Üblicherweise wird zwischen drei Formen von Essstörungen unterschieden: der Anorexia nervosa (auch als „Magersucht“ bekannt), der Bulimia nervosa (auch „Ess-Brech-Sucht“) und der Binge-Eating-Störung (auch „Ess-Sucht“). Viele betroffene Jungen und Männer erfüllen jedoch nicht das definierte Vollbild der drei vorgenannten Störungen. Dies liegt mitunter daran, dass Geschlechtsunterschiede bislang nur unzureichend Einzug in die Klassifikationssysteme gefunden haben. Deswegen erhalten betroffene Jungen und Männer häufiger die Diagnose einer atypischen Anorexia nervosa oder atypischen Bulimia nervosa. Eine bei Jungen und Männern im Vergleich zu Mädchen und Frauen häufiger anzutreffende Thematik ist die sogenannte Muskeldysmorphie (bekannt als „Muskelsucht“). Diese weist verschiedene Parallelen zu Essstörungen auf, wird aber im für Deutschland gültigen Klassifikationssystem, der 10. Version der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10), unter der körperdysmorphen Störung eingeordnet. Darüber hinaus existieren weitere Essstörungen, die etwas seltener auftreten und/oder im für Deutschland derzeit gültigen ICD-10 nicht klassifiziert werden können. Im Folgenden stellen wir Ihnen die verschiedenen Arten von Essstörungen etwas ausführlicher vor und erläutern, wie sich diese bei Jungen und Männern zeigen können.

Außerdem können Sie sich in einem Video mit der Perspektive und den Erfahrungen männlicher Betroffener vertraut machen.

Anorexia nervosa

Die Anorexia nervosa, umgangssprachlich auch als „Magersucht“ bezeichnet, ist eine psychische Erkrankung, bei der Menschen eine starke Angst vor Gewichtszunahme entwickeln und durch Nahrungseinschränkung (z.B. strikte Ernährungsregeln und -rituale, Kalorienzählen, Fasten, Vermeidung dickmachender Speisen) oder intensiven Sport versuchen, an Gewicht zu verlieren oder ein sehr niedriges Gewicht aufrechtzuerhalten. Diese Erkrankung betrifft auch Männer, auch wenn sie bei diesen seltener als bei Frauen vorkommt.

Die Anzeichen für die Anorexia nervosa sind vielfältig. Menschen mit dieser Erkrankung weisen oft einen deutlichen Gewichtsverlust bzw. anhaltendes Untergewicht auf, wobei sie sich selbst als zu dick und unförmig wahrnehmen. Betroffene schränken ihre Nahrungsaufnahme meist stark ein. Ihre Gedanken kreisen ständig um Essen, Gewicht und Figur. Körpergewicht und Figur haben einen starken Einfluss auf das Selbstwertgefühl der Betroffenen. Einige Personen führen auch Erbrechen herbei oder missbrauchen Abführmittel, Entwässerungstabletten oder andere Medikamente um Gewicht zu verlieren.

Darüber hinaus kann sich eine Anorexia nervosa bei Jungen und Männern auch leicht abweichend zum soeben geschilderten Erscheinungsbild zeigen. Männer weisen häufiger einen überhöhten Drang auf, muskulös zu sein. Sie empfinden einen Druck, einem „männlichen“ Schönheitsideal zu entsprechen, wofür teils Anabolika missbräuchlich eingenommen werden und ebenfalls ein einseitig muskularitätsförderndes, wenig ausgewogenes Essverhalten praktiziert wird. Dabei neigen Männer eher dazu, die Erkrankung zu verbergen und später Hilfe zu suchen, was die Diagnose und Behandlung erschweren kann.

Die Anorexia nervosa kann lebensbedrohlich sein und zu schweren körperlichen und psychischen Gesundheitsproblemen führen. Eine rechtzeitige Diagnose und professionelle Hilfe sind entscheidend. Die Behandlung umfasst oft psychotherapeutische Interventionen, Ernährungsberatung und gegebenenfalls medizinische Betreuung. Je früher die Unterstützung erfolgt, desto besser sind die Chancen auf Genesung.

Weiterführende Informationen zur Anorexia nervosa

  • Informationsseite der BZgA zur Anorexia nervosa (Link)
  • TV-Dokumentation über Anorexia nervosa bei Männern (Link)
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Bulimia nervosa

Die Bulimia nervosa, umgangssprachlich auch „Ess-Brech-Sucht“ genannt, ist eine Essstörung, die durch wiederholte Episoden von sogenannten Essanfällen, gefolgt von kompensatorischen Verhaltensweisen zur Gewichtskontrolle gekennzeichnet ist. Ein Essanfall bezeichnet dabei eine Episode von unkontrolliertem und übermäßigem Essen, in welcher teils mehrere Tausend Kalorien in kurzer Zeit verzehrt werden. Anders als bei der Anorexia nervosa, haben Menschen mit Bulimia nervosa oft -auf Grund von Kompensationsmaßnahmen für Essen- ein normales oder leicht überdurchschnittliches Gewicht. Auch diese Erkrankung kann bei Frauen und Männern auftreten. Frauen sind zwar häufiger betroffen als Männer, doch ist der Anteil von Männern mit Bulimia nervosa höher als bei der Anorexia nervosa.

Nach den Essanfällen empfinden Betroffene große Schuldgefühle und Scham. Um eine Gewichtszunahme zu verhindern, ergreifen sie kompensatorische Maßnahmen wie selbstinduziertes Erbrechen, übermäßige Bewegung bzw. Sport, die Einnahme von Abführmitteln oder Entwässerungsmitteln, oder strenge Diäten.

Bei Männern kann die Bulimia nervosa ähnlich wie bei Frauen auftreten, es gibt jedoch einige geschlechtsspezifische Unterschiede. Männer setzen beispielsweise seltener Erbrechen als Kompensation ein, dafür häufiger viel Sport, was sozial stärker angesehen, belohnt und bestärkt wird. Aufgrund des weitverbreiteten Stereotyps, dass Essstörungen hauptsächlich Frauen betreffen, zögern Männer möglicherweise, Hilfe zu suchen, was die Diagnose und den Behandlungsprozess verzögern kann.

Die Bulimia nervosa kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben, einschließlich Elektrolytstörungen, Zahnschäden, gastrointestinalen problemen und psychischen Belastungen. Die Behandlung umfasst in der Regel psychotherapeutische Interventionen, um zugrunde liegende Probleme zu bewältigen und die Beziehung zum Essen zu verändern. Medizinische und ernährungstherapeutische Unterstützung kann ebenfalls notwendig sein, um die körperliche Gesundheit wiederherzustellen und zu erhalten. Frühzeitige Diagnose und Intervention sind entscheidend, um die Genesungschancen zu verbessern.

Weiterführende Informationen zur Bulimia nervosa

  • Informationsseite der BZgA zur Bulimia nervosa (Link)
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Binge-Eating-Störung

Die Binge-Eating-Störung ist eine verbreitete Essstörung, die sich durch wiederholte Episoden von übermäßigem Essen mit Kontrollverlust, sog. Essanfälle, auszeichnet. Im Gegensatz zur Bulimia nervosa werden nach den Essanfällen keine kompensatorischen Verhaltensweisen wie Erbrechen oder übermäßige Bewegung praktiziert. Patient:innen mit einer Binge-Eating-Störung sind deshalb häufig, wenn auch nicht immer, mehrgewichtig oder adipös. Die Binge-Eating-Störung kann Menschen jeglichen Geschlechts betreffen.

Die Essanfälle passieren oft in Geheimhaltung und ohne wirkliche Hungergefühle. Im Anschluss erleben Betroffene starke Schuld- und Schamgefühle.

Bei Männern zeigt sich die Binge-Eating-Störung oft ähnlich wie bei Frauen. Männer können jedoch unter einem höheren Stigma leiden, das sie dazu drängt, ihre psychischen Gesundheitsprobleme zu verbergen. Dies kann dazu führen, dass Männer weniger bereit sind, professionelle Hilfe zu suchen, was die Diagnose und Behandlung verzögert.

Die Binge-Eating-Störung kann zu erheblichen gesundheitlichen Problemen führen, darunter Übergewicht/Adipositas, Herzerkrankungen, Stoffwechselstörungen und psychischen Belastungen. Die Behandlung beinhaltet oft psychotherapeutische Interventionen, um die psychischen Belastungen und die Beziehung zum Essen zu adressieren. Die Förderung von gesundem Essverhalten und die Bewältigung von emotionalen Triggern sind ebenfalls Schlüsselkomponenten der Therapie. Je früher die Erkrankung erkannt und behandelt wird, desto besser sind die Aussichten auf Genesung.

Weiterführende Informationen zur Binge-Eating-Störung

  • Informationsseite der BZgA zur Binge-Eating-Störung (Link)
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Muskeldysmorphie

Die Muskeldysmorphie, auch als „Muskelsucht“ oder „Bigorexie“ bezeichnet, ist eine psychische Störung, bei der Menschen eine verstärkte Fixierung auf ihren Körper und insbesondere auf ihre Muskulatur aufweisen. Im Gegensatz zu anderen Essstörungen wie Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa, bei denen es um das Vermeiden von Gewichtszunahme geht, besteht bei der Muskeldysmorphie das Eingenommensein darin, so muskulös-athletisch wie möglich auszusehen. Dies führt oft zu exzessivem Sporttreiben und einer zwanghaften Kontrolle über Ernährung und Nahrungsergänzungsmittel.

Die Erkennungsmerkmale der Muskeldysmorphie sind:

  • Übermäßige Sorge um Muskelmasse und Körperdefinition: Personen mit Muskeldysmorphie sind stark fokussiert auf ihr Aussehen und neigen dazu, ihren Körper oder bestimmte Körperteile als zu dünn oder zu schwach wahrzunehmen, selbst wenn sie bereits muskulös oder fit sind. Sie weisen daher meist eine hohe Unzufriedenheit mit ihrem Körperbild und starke Schamgefühle aufgrund des als defizitär empfundenen Körpers auf.
  • Exzessives Sporttreiben: Betroffene investieren oft übermäßig viel Zeit und Energie in das Training, manchmal auf Kosten anderer Lebensbereiche wie Arbeit und soziale Beziehungen.
  • Ständiges Gedankenkreisen: Die Gedanken der Betroffenen sind häufig sehr eingeengt auf Themen wie Trainingspläne, Diäten und Sport, um welche sie ausgiebig kreisen.
  • Strenge Ernährungsgewohnheiten: Betroffene verfolgen oft eine stark reglementierte Diät, die darauf abzielt, ihren Körperfettanteil niedrig zu halten und Muskelmasse aufzubauen. Dies kann durch sogenannte Bulk- und Cut-Phasen (d.h. Phasen erhöhter Kalorienzufuhr gefolgt von Phasen der Nahrungsrestriktion) vorübergehend einen anderen Anschein erwecken, die abwechselnd das Ziel einer Erhöhung der Körpermasse und des anschließenden Umbaus zu Muskelmasse verfolgen.
  • Missbrauch von Nahrungsergänzungsmitteln, Anabolika oder anderer Substanzen: Einige Menschen mit Muskeldysmorphie greifen zu leistungssteigernden Substanzen wie Steroide oder illegale Drogen, um ihre Körperziele zu erreichen. Andere nehmen teilweise ungeprüfte Nahrungsergänzungsmittel ein. Beides kann die Gesundheit schädigen.

Bei Männern zeigt sich die Muskeldysmorphie oft durch den Druck, einem vermeintlich männlichen, muskulösen Schönheitsideal zu entsprechen, das in den Medien und der Gesellschaft weit verbreitet ist. Männer mit Muskeldysmorphie können besessen von der Idee sein, einen muskulösen, athletischen Körper zu erreichen, und neigen dazu, stundenlang im Fitnessstudio zu trainieren und große Mengen Protein und Nahrungsergänzungsmittel zu konsumieren. Es ist wichtig zu beachten, dass die Muskeldysmorphie unabhängig vom Geschlecht ernstzunehmen ist und professionelle Hilfe erfordert, um die zugrunde liegenden Probleme zu bewältigen und die Gesundheit zu schützen. Im deutschen Gesundheitssystem ist die Muskeldysmorphie bislang nicht als eigenständige Erkrankung klassifiziert, sondern wird unter der Diagnose „körperdysmorphophobe“ bzw. „körperdysmorphe“ Störung gefasst.

Weiterführende Informationen zur Muskelsucht

  • Informationsseite, Selbsttest und Hilfsangebote zur Muskeldysmorphie des Universitätsspitals Bern (Link)
  • Informationsseite der BZgA zur Muskeldysmorphie (Link)
  • BZgA-Informationsblatt (PDF) „Muskelsucht“ (Link)
  • Informationsseite des Therapienetzes Essstörungen (Link)
  • Informationsfilm „Sucht nach Muskeln: Was ist Muskelsucht?“ der Caritas Fachambulanz für Essstörungen München, 7:59 Min. (Link)
  • Interview zum Thema Muskeldysmorphie mit einer Fachkraft, 7:38 Min. (Link)
  • SRF-Doku „Süchtig nach Muskeln“, 21:09 Min. (Link)
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Weitere Essstörungen

Darüber hinaus bestehen einige weitere Formen und Verhaltensweisen, von denen manche als Störungen anerkannt sind, andere bislang nicht offiziell in Deutschland als Erkrankung klassifizierbar sind. Dennoch können alle diese Sonderformen professionelle Hilfe erfordern, um die körperliche und psychische Gesundheit zu schützen und das Verhältnis von Betroffenen zur Ernährung wieder zu normalisieren.

  • Vermeidende/restriktive Essstörung (ARFID, Avoidant/Restrictive Food Intake Disorder): ARFID ist eine Essstörung, bei der Menschen eine eingeschränkte Ernährung haben, oft aufgrund von selektivem Essen oder Abneigungen gegen bestimmte Lebensmitteltexturen, -farben oder -gerüche. Anders als bei anderen Essstörungen liegt bei ARFID keine Sorge um Gewicht oder Körperform im Vordergrund. Sie tritt bei Jungen und Männern gehäuft auf.
  • Anorexia athletica: Die Anorexia athletica beschreibt gestörtes Essverhalten bei Leistungssportler:innen, die durch extreme Diäten versuchen, ein geringeres Körpergewicht und damit einhergehende sportliche Vorteile zu erlangen. Dies birgt das Risiko einer Entwicklung hin zur Anorexia nervosa. Besonders in gewichtsabhängigen Sportarten wie Eiskunstlauf oder Turnen ist diese Problematik verbreitet.
  • Orthorexia nervosa: Die Orthorexia nervosa beschreibt eine Obsession für „gesunde“ Ernährung. Betroffene sind stark eingenommen von der Auswahl und Zubereitung von Lebensmitteln, um sich stets vermeintlich vollkommen gesund zu ernähren. Die rigiden Ernährungsregeln können zu sozialer Isolation, Mangelernährung und anderen gesundheitlichen Problemen führen.
  • Night-Eating-Syndrom: Menschen mit dem Night-Eating-Syndrom essen in der Regel nach dem Abendessen oder nachts große Mengenwas zu einem umgekehrten Schlaf-Wach-Rhythmus und einer ungesunden Kalorienverteilung führen kann.
  • Pica: Pica ist keine klassische Essstörung, sondern ein Verhaltensmuster, bei dem Menschen ungenießbare Dinge essen, wie Erde, Kreide, Haare oder Ähnliches. Pica kann bei Schwangeren vorkommen.

Weiterführende Informationen zu den weiteren Essstörungen

  • Informationsseite der BZgA (Link)
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Weiterführende Informationen

Ausführliche Informationen zu Behandlungsangeboten und weitere Unterstützungsmöglichkeiten wie Beratungsstellen, spezifische Wohnformen und Selbsthilfeangeboten haben wir für Sie auf dieser Webseite bereitgestellt. Darüber hinaus finden Sie im nachfolgenden Kasten weitere Informationsquellen zum Thema Essstörungen.

Wo kann ich mich außerdem zu Essstörungen informieren?

  • Themenseite Essstörungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Link)
  • Bundesfachverband Essstörungen (Link)
  • ANAD e.V. (Link)
  • Therapienetz Essstörung, Bayern (Link)
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