Angehörige von Betroffenen mit Essstörungen ziehen sich häufig zurück, da sie Angst haben, verurteilt zu werden. Dabei bilden soziale Kontakte wie Freund:innen und Bekannte ein wichtiges Netz, das Angehörigen Halt geben kann. Es ist daher hilfreich, bestehende soziale Kontakte bewusst aufrechtzuerhalten und angebotene Hilfen anzunehmen, statt diese aus falsch verstandenem Stolz auszuschlagen. Es kann sehr hilfreich und entlastend sein, mit vertrauenswürdigen anderen Personen über die Situation ins Gespräch zu kommen und sich anderen anzuvertrauen. Außerdem ist es wichtig, auf sich selbst und die eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu achten. Nur wer nach sich selbst schaut, kann anderen gute Hilfe leisten und ein Vorbild sein. Hier gilt das gleiche Prinzip wie bei einem Druckverlust im Flugzeug: Jede:r sollte sich zuerst selbst die Sauerstoffmaske überziehen, um dann der Person neben sich gut helfen zu können.

Es gibt weiterhin für Angehörige auch die Möglichkeit, Unterstützung in Form professioneller Hilfs- und Gesprächsangebote zu erhalten.

Angebote sozialer Unterstützung für Angehörige

  • Kontakt zu Freund:innen und Bekannten suchen
  • Selbstfürsorge betreiben (z. B. in Form von Wiederaufnahme vernachlässigter Aktivitäten)
  • Selbsthilfegruppen für Angehörige (Link)
    Beratungs- und Informationsangebote:
    Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Link)
    Bundesfachverband Essstörungen (Link; Stichwort: BFE Beratungsstellen)
  • Beratungsszentrum bei Essstörungen: Durch Dick und Dünn e.V. (Link)
  • Online-Beratung für Angehörige bei ANAD e.V. (Link)
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Eine weitere Unterstützungsmöglichkeit für Angehörige besteht darin, eine eigene Psychotherapie aufzusuchen.

Der Weg zum Therapieplatz kann sehr überfordernd sein, vor allem in Situationen, die ohnehin schon belastend sind. Dazu kommt, dass die Wartezeit für einen ambulanten Therapieplatz aktuell in Deutschland einige Wochen bis Monate betragen kann. Therapeut:innen sind dazu verpflichtet, Sprechstunden anzubieten, die auch schon entlastend wirken können. In diesen Sprechstunden werden die Situationen und Probleme geschildert, um zu prüfen, ob und wie die Hilfe am besten erfolgen kann.

Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten, wenn Behandler:innen eine Psychotherapie empfehlen: a) die Psychotherapie kann zeitnah aufgenommen werden (wobei anfangs sogenannte „Probesitzungen“ stattfinden), oder b) ein Wartelistenplatz wird vergeben, oder c) eine andere Therapieform wird empfohlen. Therapieformen sind unter anderem die Verhaltenstherapie, Systemische Therapie und Tiefenpsychologie. In der Verhaltenstherapie werden konkrete aktuelle Verhaltens- und Denkmuster erkannt und es wird versucht, diese mithilfe von Übungen zu verändern. In der Systemischen Therapie wird die Person intensiv in den Bezügen zu ihren Mitmenschen verstanden, die oft in die Therapie einbezogen werden. Schließlich werden in der Tiefenpsychologie vergangene, meist frühe Erlebnisse besprochen und mit aktuellen Belastungen in Verbindung gesetzt. Welche Therapieform die sinnvollste ist, hängt von der individuellen Situation von Patient:innen ab.

In den Probesitzungen liegt der Fokus auf der Diagnostik, der Besprechung eines Behandlungsplans und dem Aufbau einer haltgebenden therapeutischen Beziehung. Vertrauen ist in der Therapie entscheidend. Es ist wichtig, dass sowohl Behandler:innen als auch Therapieplatzsuchende für sich prüfen, ob sie sich vorstellen können, gemeinsam zu arbeiten. Sollte dies der Fall sein, kann die Psychotherapie beginnen. Sollte dies nicht der Fall sein, sollte dies besprochen und darauffolgend sollten Sprechstunden bei anderen Behandler:innen aufgesucht werden.

Die Therapie kann im Einzel- oder Gruppenformat aufgenommen werden. Die Dauer der Behandlung hängt dabei von vielen verschiedenen Faktoren, beispielsweise der Ausprägung der Symptome und weiteren belastenden Faktoren oder der jeweiligen Therapieform ab. Eine Akutbehandlung erstreckt sich über 12 Sitzungen. Bei Bedarf kann eine Kurzzeittherapie (24 Sitzungen) beantragt werden. Sollte danach weiterhin Bedarf bestehen, kann eine Langzeittherapie beantragt werden (in der Regel weitere 36 Sitzungen, abhängig vom Therapieverfahren jedoch bis zu 300 Sitzungen).

Weiterführende Informationen zu Psychotherapie und Therapieplatzsuche

  • Eigene psychotherapeutische Behandlung aufsuchen:
    Kassenärztliche Bundesvereinigung (Link)
    Bundespsychotherapeutenkammer (Link)
    Weisse Liste (Link)
  • Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA): Psychotherapie Richtlinie (Psychotherapie-Richtlinie)
  • Kassenärztliche Bundesvereinigung: Überblick über ambulantes Versorgungsangebot (Link) und FAQ zu Psychotherapie (Link)
  • Informationen der Krankenkassen: diese sind bei der jeweiligen Krankenkasse einzusehen, beispielsweise AOK (Link), BARMER (Link), DAK (Link), Techniker (Link)
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Eine praktische Entlastung besteht für viele Angehörige darin, mehr Informationen und Orientierung über Essstörungen und Hilfsangebote zu bekommen. Dabei gibt es verschiedene Anlaufstellen für Angehörige, um Informationen über Essstörungen zu erhalten.

Angebote zur Aufklärung über die Erkrankung

  • Fachseite Essstörungen der BZgA (Link)
  • BZgA-Broschüre „Essstörungen – ein Überblick“ (Link)
  • Aufklärungsseite von ANAD e.V.(Link)
  • Informationen zur Fitness- und Muskelsucht (Link)
  • BZgA Themenblatt Muskelsucht (Link)
  • BZgA Themenblatt Komorbidität bei Essstörungen (Link)
  • Angehörigen-Broschüre „Über den Tellerrand hinaus“ (Link)
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Weiterhin gibt es schriftliche Ratgeber für Angehörige, in denen beschrieben wird, wie Betroffene unterstützt werden können. Hilfreiche Ressourcen können im nachfolgenden Kasten gefunden werden.

Schriftliche Ratgeber und konkrete Tipps für Angehörige

  • „Über den Tellerrand hinaus: Personen mit Essstörungen verstehen und begleiten“ (Link)
  • BZgA-Broschüre „Essstörungen – eine Orientierung für Eltern, nahestehende Personen, pädagogische und psychologische Fachkräfte“ (Link)
  • Infoblatt „Was tun bei Verdacht auf Essstörungen: Informationen für Eltern, Angehörige und nahestehende Personen“ (Link)
  • BZgA: „Was können Angehörige und andere tun?“ (Link)
  • ANAD: „Hilfe durch Außenstehende“ mit konkreten Tipps für Eltern, Partner, Geschwister und Freund:innen (Link)
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Hilfreich können auch Informationen über Behandlungs-, Rehabilitations- und weitere Unterstützungsmaßnahmen sein. Diese und weitere Unterstützungs- und Hilfsangebote finden Sie im folgenden Kasten.

Informationsmaterial über Behandlungs- und Unterstützungsangebote

  • Patient:innen-Leitlinie „Diagnostik und Behandlung von Essstörungen“ (Link)
  • BZgA Themenblatt „Therapieformen im Überblick“ (Link)
  • BZgA Themenblatt „Zwangsbehandlung bei Essstörungen“ (Link)

Weitere Unterstützungs- und Hilfsangebote

  • (Anonymes) BZgA-Infotelefon zu Essstörungen: 0221/892031
  • Beratungsstellen in der Nähe finden:
    Bundesfachverband Essstörungen (Link)
    Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Link)
  • Online-Beratungsangebote (z.B. in Form von Einzel- und/oder Gruppenchats, E-Mails, Diskussionsforen) (Link)
  • Elternseminare oder Online-Elternschulungen (z.B. beim Therapienetz Essstörung) (Link)
  • Landesfachstelle Essstörungen NRW (Link)
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Sowohl Offenheit als auch eine aktive Herangehensweise können Angehörigen helfen, besser mit der Situation und der Diagnose der betroffenen Jungen und Männer umzugehen. Aufgrund von Scham oder aus Angst vor negativen Reaktionen des Umfelds entscheiden sich einige Angehörige dazu, die Erkrankung des Betroffenen geheim zu halten. Offenheit gegenüber vertrauenswürdigen Personen kann dagegen dazu führen, das Gefühl zu haben, selbst als Angehörige:r gehört und verstanden zu werden. Schließlich ist die Offenheit auch ein wichtiges Signal an die Betroffenen selbst: „Ich bin für dich da, sehe dich und es gibt keine Notwendigkeit, dich und dein Problem zu verstecken“. Durch aktives Herangehen an die Situation und das damit verbundene Gefühl, etwas tun zu können, können Frust und Hilflosigkeit verringert werden, indem diesen eine Handlungsalternative entgegengestellt wird. Dabei ist es aber wichtig, transparent zu handeln und die Wünsche und Grenzen der betroffenen Personen, als auch die eigenen Grenzen als Angehörige:r stets zu respektieren. Weiterhin kann die Unterstützung durch Angehörige zu einer größeren Zuversicht auf der Seite der Betroffenen führen, eine herausfordernde Situation gemeinsam in kleinen Schritten verändern zu können. Darüber hinaus sind Offenheit und aktives Handeln auch auf gesellschaftlicher Ebene hilfreich, da durch den breiteren Austausch über Essstörungen und eine vermehrte Sichtbarkeit der verschiedenen Krankheitsbilder Vorurteile in der Allgemeinbevölkerung abgebaut werden können. Das kann helfen, ein offenes gesellschaftliches Klima zu schaffen, in welchem psychische Erkrankungen und insbesondere Essstörungen nicht länger tabuisiert sind, und damit Hürden für Betroffene abbauen, ihr Schweigen zu brechen und sich Hilfe zu suchen.